Männer essen Steaks. Sie trinken Bier. Sie rülpsen. Sie haben Kohldampf. Sie haben einen höheren Energieverbrauch. Frauen essen einen bunten Salat. Sie möchten nur ein kleines Stück vom Kuchen. Sie machen Low-Carb. Sie sind schon total satt. Sie hungern. Es zeigt sich: Lots of Sexism in our Schnitzel! Henrike Iglesias sagt: Bullshit! Wir haben Hunger und wir fressen! In ihrer Kochshow tischen die Performerinnen uns die gesellschaftliche Obsession mit dem Thema Essen auf, und verschlingen dabei, was sich ihnen in den Weg stellt.
Wir alle hungern auch nach sozialer Interaktion und so spielt „Fressen“ als digitale und interaktive Live-Performance im Gerät auf eurem Küchentisch. Nehmt euch was zu knabbern und stürzt euch hinein!
Henrike Iglesias begreifen popkulturelle und massenmediale Phänomene als Spiegel gesellschaftlicher Zu- und Missstände und haben es sich zur Aufgabe gemacht, diese aus explizit feministischen Perspektiven zu beleuchten. Sie sind ein Theaterkollektiv based in Berlin und Basel zu dessen fester Crew Anna Fries, Laura Naumann, Marielle Schavan und Sophia Schroth, sowie Eva G. Alonso und Malu Peeters gehören. Sie treten gern als Feminist Killjoys, DJ Henrike Iglesias und als Internetuserinnen auf.
Mehr zum Stück findet ihr hier.
Für dieses Stück geben wir euch folgende Inhaltswarnungen mit:
zur analogen Version von
FRESSEN
von Annalena Küspert
Kuratieren während Corona. Ich sitze nachmittags in der Küche als ich das Video der Produktion „Fressen“ starte. Zufällig oder nicht, ich bin – Überraschung – im exakt richtigen Setting. Auch auf der Bühne ist eine Küche zu sehen, die zugegebenermaßen anders aussieht als meine. Logisch. Aber was sich da abspielt, hat mit mir zu tun. Mit mir und meinem Körper. Und mit dem meiner Mama und meiner Omi und meiner Schwester und denen meiner Nichten und auch meiner Tochter. Und die ist erst 3 und hat ihr erstes Bodyshaming-Erlebnis schon mit 16 Monaten beim Abholen in der Krabbelstube hinter sich bringen dürfen; als der Vater eines anderen Kindes sein „die ist aber ganz schön propper für ein Mädchen“ nicht für sich behält. Meine Wut, meine Schamgefühle, meine Bestürzung angesichts der Maßstäbe, nach welchen ein erwachsener Mann den Körper eines weiblich gelesenen Kleinkindes betrachtet, sehe ich an diesem Corona-Sommer-Nachmittag auf der Bühne in meinem Laptop. Fressende Frauen. Gurken, Spaghetti, Pizza, Chips, Sprühsahne – und das ist längst nicht alles. Ob das gut geht? Wieviel Hunger darf (m)ein weiblicher Körper sich erlauben, bevor er gesellschaftlich gesehen durchfällt? Und dann? Ich sehe drei junge Frauen, die sich auseinandersetzen mit ihrem Hunger, ihrem Wollen, internalisierten Verboten und Vorstellungen von vermeintlicher Perfektion. Ich sehe Schmerz, Wut, Revolte. F*ck dich, Male Gaze! Ich sehe und fühle mich gesehen. Als Frau und als das Mädchen, das ich mal war. Besonders befreiend: In diesem Theater tappt keine in die Falle, irgendwem irgendwas beweisen zu müssen. „Fressen“ ist kein besonders klug oder akribisch recherchiertes Dokumentarstück, sondern besticht durch eine extrem entspannte, eigenwillige und anarchische Dramaturgie. Wie viele Diäten hätte ich mir gespart, wenn es diese Art von Theater in den 90ern für mich gegeben hätte? Ich kann es nicht wissen, aber ich weiß: Auch ich habe auch keine Lust mehr zu glauben, auf eine bestimmte Art und Weise aussehen zu müssen, um glücklich zu sein. Und erst Recht keinen Bock darauf, dass meine Tochter das mal glaubt.
Von und mit: Henrike Iglesias (Eva G. Alonso, Anna Fries, Laura Naumann, Malu Peeters, Marielle Schavan, Sophia Schroth)
Kostüme: Mascha Mihoa Bischoff
Dramaturgie: Anna Gschnitzer und Henrike Iglesias
Produktion: ehrliche arbeit – freies Kulturbüro
Übersetzung und Untertitel: Naomi Boyce
FRESSEN ist eine Produktion von Henrike Iglesias in Koproduktion mit den Münchner Kammerspielen und dem jungen theater basel, gefördert im Fonds Doppelpass der Kulturstiftung des Bundes.